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Theorien der Suchtentstehung

Psychologische Erklärungsansätze
Psychologische Erklärungsansätze suchen die Ursache des Drogengebrauches und der Drogenabhängigkeit im Individuum. Hier sind vor allem der psychoanalytische Ansatz, das lerntheoretische Erklärungsmodell und systemische Theorien zu nennen. Nach dem psychoanalytischen Ansatz wird die Ursache der Sucht in einer Störung der Persönlichkeitsentwicklung gesehen. Im lerntheoretischen Modell wird die Persönlichkeitsentwicklung gleichgesetzt mit Lernerfahrungen. Sucht wird als erlerntes Verhalten angesehen (klassische und instrumentelle Konditionierung, soziales Lernen wie z. B. Modelllernen, Identifikation, Imitation, Rollenübernahme, Rollenverhalten). Systemische Theorien stellen die Dynamik und die Beziehung zwischen den Familienmitgliedern in den Mittelpunkt. Sie beschäftigen sich in erster Linie nicht mit der Entstehungsgeschichte von Sucht, sondern fragen, welche Mechanismen das Suchtverhalten zum gegenwärtigen Zeitpunkt aufrechterhalten bzw. verändern.

 

Biologische Erklärungsansätze
Der biologische Theorieansatz versucht, stoffgebundene Abhängigkeiten auf biologische Prozesse und Gesetzmäßigkeiten zurückzuführen. Die unterschiedlichen legalen und illegalen psychoaktiven Substanzen greifen in verschiedene Stoffwechselprozesse des Gehirns ein und bewirken neurobiologische Veränderungen. Man geht heute davon aus, dass eine psychoaktive Substanz oder bestimmte Verhaltensweisen (z.B. Glücksspiel) dann zum Missbrauch verleiten kann, wenn sie hirneigene Mechanismen aktiviert und ein subjektiv empfundenes Belohnungsgefühl (im Belohnungssystem des Zentralnervensystems) erzeugt. Unter natürlichen Bedingungen wird dieses System durch lebensnotwendige Prozesse wie Essen, Trinken, Sexualverhalten, Fürsorgeverhalten usw. aktiviert. Die neurobiologischen Theorien führen die Entstehung und Aufrechterhaltung von Sucht vor allem auf Stoffwechselvorgänge im Gehirn zurück und vermuten eine Anfälligkeit bestimmter Personen für Suchtverhalten.

 

Soziologische Erklärungsansätze
Soziologische Theorien versuchen aufgrund gesellschaftlicher und lebensweltlicher Einflüsse, Ursachen des Drogengebrauches und der Drogenabhängigkeit zu erklären. Aus soziologischer Sicht können beispielhaft folgende Risikofaktoren angeführt werden:

 

  • Allgemeine Schwierigkeiten des Einzelnen, sich in einer Risikogesellschaft zurechtzufinden, in der gesellschaftliche Risiken (wie z. B. arbeitslos zu werden) zunehmend individualisiert werden
  • Mangelnde Zukunftsperspektive und Zukunftsängste vor allem im Arbeits- und Ausbildungsbereich
  • Massive Verführung zu Suchtmittelkonsum durch entsprechende Leitbilder und Werbung für Suchtmittel, Schönheitsideale
  • Erlebnis- und Konsumorientierung
  • Belastungen in Ausbildung, Arbeit, Freizeit
  • Peergroup-Effekt: Der erste Suchtmittelkonsum vollzieht sich in der Regel nicht isoliert, sondern innerhalb einer peer-group
  • Familiäre Einflüsse: fehlerhafte Erziehungsstile (rigide Haltung, Laissez-faire, Inkonsistenz), Vorbildverhalten, Beziehungskrisen

 

 

Modell der Trias der Entstehungsursachen von Abhängigkeit

Da jeder der oben erwähnten Erklärungsansätze für sich alleine genommen das Phänomen „Sucht“ nicht ausreichend erklären kann, werden diese Ansätze meist zu multifaktoriellen Konzepten verbunden, die auf die Trias psychoaktive Substanz (Droge), Individuum (Set) und Gesellschaft bzw. soziales Umfeld (Setting) Bezug nehmen. Am bekanntesten ist die „Trias der Entstehungsursachen der Drogenabhängigkeit“ von Kielholz und Ladewig,  die bereits 1973 veröffentlicht wurde, und die Faktoren Mensch, Mittel und Milieu verbindet. Da dieses Modell zu statistischen Aussagen tendiert, wird verstärkt versucht, dynamische Modelle zu entwickeln, die Genese und Verlauf von Sucht als Prozess aufeinander folgenden Entscheidungsschritte verstehen, in dem zahlreiche Faktoren in den einzelnen Phasen unterschiedliche Wirkungen entfalten können.

In diesem Zusammenhang wird immer deutlicher: „Die identifizierten Faktoren sind nicht als Ursachen im Sinne eines Ursache-Wirkungs-Mechanismus zu verstehen, sondern als Wechselwirkungsverhältnis, in dem Subjekte biographisch und situativ motivierte Entscheidungen treffen. Der süchtige Gebrauch von Drogen wie analog auch sonstiges süchtiges Handeln ist eine von mehreren Phasen mit fließenden, einander überlappenden Übergängen in diesem Prozess, der eine Vorgeschichte hat und insgesamt aus Einstieg, Fortsetzung und Gewöhnung, Sucht sowie Ausstieg besteht.“

 

Weiterführende Literatur:

  • P. Loviscach (2000): Genese. In: F. Stimmer (Hg.): Suchtlexikon, Oldenbourg, München.
  • Robert West (2005): Theory of Addiction, Oxford.