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QUELLE: http://www.praevention.at

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Ethische Aspekte

In den letzten Jahrzehnten ist ein rasanter Aufschwung der Prävention zu beobachten. Prävention soll dabei als gesellschaftspolitisches Instrument die verschiedensten gesellschaftlichen Problemfelder abdecken: Suchtprävention, Gewaltprävention, Kriminalprävention, Suizidprävention etc. Sie erfasst zunehmend mehr Lebensbereiche. Prävention kann als eine Antwort auf die Verunsicherungen in der „Risikogesellschaft“ verstanden werden. Gleichzeitig ist mit dem Aufbrechen der „Norm(al)biographien“ und der Pluralität der Lebensentwürfe sowie den vielfältigen Optionen das eigene Leben zu gestalten, ein erhöhtes Risiko des Scheiterns und der Selbstgefährdung, insbesondere im Jugendalter beim Übergang zum Erwachsenenalter, gegeben.

 

Die professionelle Prävention und mit ihr die Präventionsforschung befindet sich in einem Spannungsfeld zwischen Individuum und System. Wo endet die selbstbestimmte, auf Genuss abzielende "Drogenmündigkeit", wo beginnt die "Bevormundung"? Inwieweit bieten konkrete Regelungen und Gesetze Schutz? Wo wird das Recht auf Selbstbestimmung eingeschränkt? Diese Fragen sind eng mit dem Menschenbild einer modernen Prävention verknüpft.

 

Wie der Wiener Suchtforscher Dr. Alfred Uhl es formuliert (Uhl, 2007), geht es "um eine weltanschauliche Grundhaltung, die nicht nur für die Suchtprävention, sondern für jegliches pädagogisches oder sozialpolitisches Handeln von Bedeutung ist." Dabei stehen sich zwei grundverschiedene Menschenbilder gegenüber: Auf der einen Seite das "demokratisch-emanzipatorische Menschenbild" im Sinne der Ottawa-Charta und auf der anderen Seite ein "paternalistisch-kontrollierendes Menschenbild", das stark auf Kontrolle und Repression setzt:

 

Demokratisch-emanzipatorischer versus paternalistisch-kontrollierender Ansatz

 

Uhl beschreibt die zwei entgegengesetzten Pole wie folgt: "Der demokratisch-emanzipatorische Gesundheitsförderungsansatz folgt dem Prinzip, dass die überwiegende Mehrzahl der Menschen autonom richtige Entscheidungen treffen wird, wenn man sie in jungen Jahren und auch später darin unterstützt, Lebenskompetenz zu entwickeln, sie umfassend und ausgewogen informiert, sie ermutigt Entscheidungen zu treffen und sie anleitet ein glückliches Leben anzustreben und mit Risiken sinnvoll umzugehen. Dazu gehören Stichwörter wie "Empowerment", "Partizipation" oder "Risikokompetenz". Die Zielpersonen werden in ihrer konkreten Lebenslage akzeptiert, ihre persönliche Autonomie wird nicht in Frage gestellt, und Entscheidungen werden ihnen letztendlich weitestgehend selbst überlassen. Die Zielpersonen werden dabei als Subjekte wahrgenommen, im Sinne von Interaktionspartnerinnen, bei denen man die Fähigkeit fördern will, Lebensbedingungen selbst aktiv zu ändern und zu verbessern, um damit die Wahrscheinlichkeit des Flüchtens in ausweichendes und selbstzerstörerisches Verhalten zu verringern. Die Grundlage des "paternalistisch – kontrollierenden Ansatzes" ist hingegen die Überzeugung, dass die Mehrzahl der Menschen nur dann richtige Entscheidungen treffen wird, wenn man sie kontrolliert, "gefährliche Informationen" zensuriert, sie bevormundet und ihnen Lustverzicht sowie Risikoverringerung durch Enthaltsamkeit nahe legt."

 

Präventionsmaßnahmen können in bevormundende, technokratische und normierende Verhaltenskontrollmaßnahmen münden. Deshalb sind Ansätze, die den mündigen, emanzipierten Menschen im Blick haben, zu bevorzugen. Das Ziel von Prävention, welche sich auf das „Recht auf Gesundheit“ konzentriert, ist die Ermöglichung und Befähigung zu einem selbstbestimmten und verantwortungsbewussten gesundheitsgerechten Leben in einer gesundheitsförderlichen Umwelt. Die Lebenssouveränität und autonome Lebensgestaltung der Adressat/innen von Prävention (insbesondere bei Jugendlichen und Kindern) ernst nehmen heißt, dass nicht alle Verhaltensäußerungen als Bedrohung und Risiko interpretiert werden dürfen.

 

Quellen, weiterführende Literatur:

  • Gruber D., Schmidbauer R., Paulik R., Schaireiter M., Koren G., Schöny W. (2014): Prävention psychischer Probleme - Einführung, Grundlagen und Diskurs, Linz
  • Uhl A. (2007): Begriffe, Konzepte und Menschenbilder in der Suchtprävention, erschienen in "SuchtMagazin", 4/2007, S. 3-11.