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Kaufsucht

Das Phänomen bzw. die Begrifflichkeit "Kaufsucht" ist nicht ganz so neu wie man vielleicht annehmen könnte. Bereits im Jahr 1909 beschrieb der deutsche Psychiater Emil Kraeplin „die krankhafte Kauflust, die den Kranken veranlasst, sobald sich ihm dazu Gelegenheit bietet, ohne jedes wirkliche Bedürfnis in großen Mengen einzukaufen“. Er wählte dafür den Begriff „Oniomanie“, ein Kompositum aus den griechischen Wörtern onios (käuflich, kaufen) und manía (ausgeprägte Leidenschaft, Trieb, Zwang).


Definition und Merkmale

Unter Kaufsucht wird meist das in Anfällen auftretende, impulsive und exzessive Kaufen von Konsumgütern und Dienstleistungen verstanden. Das Kaufen dient dabei weniger seinem eigentlichen Sinn, also dem Erwerb von Gütern oder Dienstleistungen, sondern vielmehr dem Kaufen selbst bzw. den dadurch herbeigeführten positiven Gefühlen (Stimmungsaufhellung, positiver Kick). Ein weiteres, wesentliches Merkmal der Kaufsucht ist ihre Unscheinbarkeit. Das Suchthafte bleibt oft lange Zeit unerkannt – sowohl von den Süchtigen selbst, die sich ihre Abhängigkeit nicht eingestehen möchten, als auch vom sozialen Umfeld, das die Kaufaktivitäten der Süchtigen zunächst eher anerkennt als kritisch kommentiert.  Denn im Gegensatz zu anderen Suchtformen ist das Kaufen gesellschaftlich gebilligt, ja sogar erwünscht. Man hat zunächst kein schlechtes Gewissen, "sich etwas zu gönnen". Dazu kommt, dass Kaufen die Persönlichkeit nicht verändert, wie es besonders bei stoffgebundenen Süchten, z.B. der Alkoholabhängigkeit, der Fall ist. Geldprobleme können kurzfristig mit der Überziehung des Kontos, dem Aufnehmen eines Kredits oder dem Auflösen von Sparbüchern versteckt werden. Kreditkarten erleichtern dies noch. Häufig tritt die Kaufsucht auch abwechselnd oder gleichzeitig mit anderen Süchten auf. Medizinisch wird die Kaufsucht in den gängigen Diagnosekriterien nicht als Suchterkrankung, sondern als „Störung der Impulskontrolle“ eingeordnet.

 

Neben der weitgehenden gesellschaftlichen Akzeptanz ist ein weiterer Grund für diese Einstufung, dass es vor allem im englischen Sprachraum eine Vielzahl unterschiedlicher Bezeichnungen für Kaufsucht gibt. Am gängigsten ist hier der Begriff „Compulsive Buying“, aber auch die Bezeichnungen „Pathological Buying“, „Shopping Addiction“ oder „Buying Disorder“ sind in der einschlägigen Literatur zu finden. Laut der deutschen Psychologin Astrid Müller (Medizinische Hochschule Hannover), die sich bereits in mehreren wissenschafltichen Publikationen mit dem Phänomen der Kaufsucht auseinandergesetzt hat, „spiegeln diese unterschiedlichen Bezeichnungen im englischsprachigen Raum auch die verschiedenen theoretischen Ansätze und die bisherige Unsicherheit bezüglich der korrekten Einordnung von pathologischem Kaufen wider“. So gingen viele Autoren lange Zeit davon aus, dass es sich um eine Zwangsstörung handelt. In jüngerer Vergangenheit wird aber auch vermehrt auf die Ähnlichkeiten mit substanzgebundenen Abhängigkeitserkrankungen (z.B. Alkoholabhängigkeit) Bezug genommen, da typische Muster auch bei Patienten mit pathologischem Kaufen nachweisbar sind (Müller, 2018).

 

Eine Kaufsucht entsteht nicht von heute auf morgen, sie entwickelt sich. Jene Phase, die sich in diesem Entwicklungsprozess zwischen unauffälligem und süchtigem Kaufverhalten befindet, ist das so genannte „kompensatorische Kaufverhalten“. Dazu zählen die häufig als „Frustkäufe“ bezeichneten Vorgänge. Frustkäufe haben die Funktion über unangenehme oder belastende Stimmungen hinwegzuhelfen. Von süchtigem Verhalten spricht man, wenn mehrere Suchtkriterien (siehe unten) klar ausgeprägt sind. Zudem erfolgt trotz des Auftretens negativer Folgen (z.B. Verschuldung) eine Fortsetzung des Verhaltens.

 

Screeningverfahren

Im deutschsprachigen Raum hat sich als Basis zur Erhebung von Kaufsucht das „Screeningverfahren zur Erhebung von kompensatorischem und süchtigem Kaufverhalten (SKSK)“, auch bekannt als „Hohenheimer Kaufsuchtindikator“ durchgesetzt. Der SKSK wurde nach einigen Vorstudien bereits 1991 in einer großen Untersuchung eingesetzt, die Normierung erfolgte jedoch erst in einer Repräsentativerhebung 2001. Das SKSK ist an die „Compulsive Buying Measurement Scale“ angelehnt und wurde in älteren Artikeln als „Hohenheimer Kaufsuchttest“ bezeichnet . Das Verfahren basiert auf der Definition der Kaufsucht als stoffungebunde Sucht (vgl. Spielsucht, Arbeitssucht), die von den Autoren wie folgt definiert wird:

  • ein unwiderstehlicher Drang, der stärker als der eigene Wille erfahren wird,
  • eine Abhängigkeit vom Kaufen bis zum Verlust der Selbstkontrolle, mit Einengung der Interessen auf das Kaufen; das Kaufen bleibt als einziges Befriedigungsmittel; soziale Isolation und Überschuldung als mittel- und langfristige Folgen
  • Tendenz zur Dosissteigerung (häufigere und teurere Einkäufe)
  • Entzugserscheinungen (innere Unruhe und Unwohlsein, psychosomatische Erkrankungen, Selbstmordgedanken).

 

Verbreitung

Das Verhältnis von Frauen und Männern mit einem krankhaften Zwang einzukaufen liegt laut deutschen Studien etwa bei 60 zu 40. Einer erstmals 2004 veröffentlichten Studie der Österreichischen Arbeiterkammer zufolge, sind vor allem jüngere Frauen im Alter zwischen 14 und 24 gefährdet. Kaufsüchtige kommen aus allen Bildungs- und Einkommensschichten, die meisten weisen eine mittlere bis höhere Bildung auf. Viele verfügen aber nur über ein geringes Einkommen, was das süchtige Kaufen noch verhängnisvoller macht. Nicht selten kommt es zur völligen Überschuldung. Fast immer konzentrieren sich die zwanghaften Einkäufe auf Produkte. Bei Frauen sind dies vor allem Kleidung, Schuhe, Schmuck, Haushaltsgeräte, Lebensmittel oder Bücher. Männer zieht es eher zu Autozubehör, technischen Geräten, Sportartikeln und Antiquitäten. Die Annahme, dass pathologisches Kaufen eher vorrangig bei Menschen mit niedrigem Einkommen oder schlechter Schulbildung vorkommt, konnte bislang nicht bestätigt werden. Pathologisches Kaufen scheint eher unabhängig vom sozioökonomischen Status aufzutreten (Müller, 2018).

 


Literaturhinweise:

  • Astrid Müller, Klaus Wölfling, Kai W. Müller, Verhaltenssüchte – Pathologisches Kaufen, Spielsucht und Internetsucht, 2018
  • AK-Kaufsuchtstudie 2017
  • Gerhard Raab, Michael Neuner, Kaufsucht als nichtstoffgebundene Abhängigkeit entwickelter Konsumgesellschaften - Wesen, Entwicklungstendenzen und Forschungsperspektiven, in: Dominik Batthyány (Hg.), Alfred Pritz (Hg.), Rausch ohne Drogen, Wien, 2009.
  • Gabriele Fischer, Warum Frauen gesünder leben & Männer früher sterben, Geschlechtsbezogene Krankheitsbilder, Wien, 2005.
  • Stefan Poppelreuter, Werner Gross (Hg.), Nicht nur Drogen machen süchtig, Entstehung und Behandlung von stoffungebundenen Süchten, Weinheim, 2000.

 

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